Herr Oetjen, wie hat sich die E-Mail seit den ersten Gehversuchen im Jahr 1984 verändert?
Die Entwicklung der E-Mail erinnert an die Lebensphasen des Menschen. Zehn Jahre steckte sie in den Kinderschuhen, war primär an Universitäten verbreitet. Mit der Pubertät setzte dann das wilde Wachstum ein. Für den Durchbruch sorgte das Aufkommen kostenloser Angebote, etwa von WEB.DE und GMX. Während in den 1990ern anonyme Absender-Adressen wie Supermikey2000@web.de dominierten, wird das Medium seit der Jahrtausendwende weitgehend personalisiert genutzt. Dies war die Basis für eine stärkere Professionalisierung der E-Mail-Kommunikation, die inzwischen immer häufiger auch über mobile Endgeräte erfolgt.
Welche Unterschiede sind noch festzustellen?
Im Unterschied zu früher achten die Nutzer heute weniger auf die Breite des Funktionsumfangs oder Sonderausstattungen. Stattdessen spielen Fragen rund um Sicherheit die größte Rolle. Zum Beispiel: In welchem Land werden eigentlich die Daten gespeichert? Und wie kann der Inhalt der E-Mail bestmöglich vor der Neugier Dritter geschützt werden?
In Zeiten sozialer Netzwerke und Diensten wie WhatsApp ist die E-Mail ein Auslaufmodell, oder?
Im Laufe der Jahre trachtete der E-Mail schon so mancher nach dem Leben: Facebook hat die Messenger auf dem Gewissen, gab aber die eigenen E-Mail-Pläne schnell wieder auf, WhatsApp ersetzt die SMS – aber die E-Mail behauptet sich nach wie vor als das mit Abstand beliebteste Kommunikationsmittel im Web. Mit vier Milliarden Accounts weltweit bildet sie das Rückgrat des Internets. Ob Online-Shopping, Registrierung in Social Networks oder App-Downloads – ohne E-Mail-Postfach geht in der digitalen Welt fast nichts. Seit Erfindung der E-Mail gab es keinen Zeitraum, in dem das gesamte E-Mail-Aufkommen (natürlich bereinigt um Spam) nicht gewachsen wäre.
Wie wird sich das E-Mail-Volumen weiterentwickeln?
In diesem Jahr werden unseren Schätzungen zufolge allein in Deutschland 504,4 Milliarden Mails verschickt – 6,9 Prozent mehr als 2013. Marktkenner prognostizieren, dass die Zahl der täglich verschickten E-Mails bis 2018 weltweit auf fast 230 Milliarden steigt. Bei den Accounts wird mit einem Plus auf über fünf Milliarden gerechnet. Vor allem der Kontakt mit Firmen und Behörden dürfte deutlich zunehmen. Denn durch den De-Mail Standard lassen sich viele Dokumente wie Lohn- und Gehaltsabrechnungen, die aus rechtlichen Gründen bisher per Brief übermittelt werden mussten, künftig bequem online verschicken.
Wie hat sich die NSA-Affäre auf E-Mail ausgewirkt?
Der NSA-Skandal hat private und geschäftliche Nutzer sensibilisiert. Wir beobachten hier grundsätzlich zwei Tendenzen. Zum einen hat das seit Jahren anhaltende Misstrauen gegenüber US-amerikanischen Anbietern sich weiter verschärft. Anwender achten verstärkt auf den Standort der Mail-Server. Sie legen größeren Wert auf Internet-Lösungen, die dem strengen deutschen Datenschutz unterliegen, weil spätestens jetzt nach den Snowden-Enthüllungen jedem klar ist, dass es einen großen Unterschied macht, wo die Daten gespeichert bzw. verarbeitet werden. Zum anderen stellen wir aber auch angesichts der Fülle an Enthüllungen eine generelle Verunsicherung gegenüber digitalen Medien fest, weil viele Nutzer nicht wissen, was sie noch mit gutem Gewissen nutzen können, ohne dass alles mitgelesen und kopiert wird.
Haben sie nach der NSA-Affäre konkrete Maßnahmen ergriffen?
Ja. Bei der gestiegenen Verunsicherung der Nutzer setzt unsere Initiative „E-Mail made in Germany” an, die Privatnutzern und Unternehmen höchste Sicherheits- und Datenschutzstandards bei der digitalen Kommunikation garantiert und mithilfe eines grünen Hakens Orientierung bietet, welche Adresse zu dem sicheren Verbund gehört – und welche nicht. E-Mail made in Germany garantiert eine automatische SSL/TLS-Verschlüsselung mit deutschen Zertifikaten auf allen Übertragungswegen. Dadurch wird verhindert, dass Nachrichten bei der Übertragung mitgelesen werden können. Die Speicherung der Daten in Deutschland gemäß deutschem Datenschutz sichert gegen den wahllosen Zugriff Dritter, wie es in anderen Ländern gängige Praxis ist.